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Deportation 2019

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1946: Weihnachtsgrüße aus Russland
Brief der Mutter Susanna Hertl aus Jenakijewo an ihre Familie in Jahrmarkt

Die Jahrmarkter Familie Hertl könnte eine ungewöhnliche Familienchronik schreiben, auch über die neuere Zeit, im vergangenen Jahrhundert. Michael Hertl, Mischko gerufen, war laut Heiratseintragung am 30. Januar 1913 in Freidorf geboren und wohnte bei der Heirat im Jahrmarkter „Unnerdorf“ auf Hausnummer 833. Er ehelichte am 23. November 1937 Susanna Hans, die am 1. August 1913 in Baltimore geboren worden war. Ein Jahr nach der Eheschließung bekam das Ehepaar den Sohn Josef, der im Vorjahr (2018) in den USA in der Großfamilie seinen 80. Geburtstag feiern konnte. Am 8. Oktober 1939 kam Sohn Peter auf die Welt. Beide Söhne haben später in Chicago geheiratet, einer eine Ungarndeutsche, der andere eine Serbisch-Banaterin.

In der Zwischenzeit hatte die Familie jedoch schwierige Jahre zu überstehen. Mischko wurde zum deutschen Militär eingezogen (Waffen-SS), überlebte die Fronteinsätze und die Gefangenschaft in Frankreich, von wo er 1951 nach Amerika auswanderte dank der Hilfe der Verwandten seiner Frau. Die allein gebliebene Ehefrau musste trotz zweier Kleinkinder im Januar 1945 (von Hausnummer 313, damals Grabengasse, oben am Hang neben der Gartner-Familie) zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion. Sie wusste damals nicht, dass ihr amerikanischer Geburtsschein und Reisepass die Deportation möglicherweise hätte verhindern können. Sie überlebte die drei schweren Jahre in der Zwangsverschleppung. Die frühere Entlassung – die meisten Deportierten arbeiteten fünf Jahre in der Sowjetunion – soll angeblich auf ihrer amerikanischen Staatsangehörigkeit beruht haben.

Die Mutter übersiedelte mit ihren zwei Jungen am 4. Oktober 1954 aus der Jahrmarkter Zigeunergasse nach Amerika. Ob sie wusste, dass ihr Mann dort inzwischen wieder geheiratet hatte, ist uns nicht bekannt.

Aus der Deportation hatte Susanna ein ausführliches Schreiben mit frühen Heimkehrern (Krankentransport) aus dem Arbeitslager Jenakijewo (Donezk-Becken) nach Hause geschickt. Mit der Post durften keine Briefe gesendet werden. Der Brief wurde von der Familie aufbewahrt und das Original befindet sich in Amerika. Das aussagekräftige Schreiben wurde vor vielen Jahren in Chicago veröffentlicht zusammen mit einem Bild der Frau und ihren beiden Söhnen.

Der Ehemann Michael ist am 14.07.1985 in Chicago gestorben, die Briefschreiberin ebendort am 29. April 2003.

Der mehrseitige Brief wird hier im Unterschied zur Erstveröffentlichung unverändert abgedruckt. In die Rechtschreibung wurde nur wenig eingegriffen, da wo es zum besseren Verständnis nötig war.

Luzian Geier

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Geschrieben am 2 - 12 - 1946, (
nachträglich dazugeschrieben Rusland)

Liebe Eltern, Schwiegermutter und Kinder!

Im Beginn meines Schreibens teile ich euch mit, dass ich noch gesund bin und das selbe von euch hoffe.

Liebe Eltern, Schw u. Kinder, da unsere Kranken noch immer nicht weggefahren sind will ich euch wieder paar Zeihlen mitteilen. Wir habben jetzt warme Kleider gefasst. Die Männer werden euch schon erzählen. Ich arbeite jetzt im Warmen beim Steine klopfen, nur wie lange, weiß ich noch nicht. Vieleicht ein oder zwei Wochen muss (ich) in der Nacht arbeiten. Diese Woche arbeite ich von 11 Uhr biss in der Früh um 7 Uhr, in der nächsten Woche arbeite ich von 3 Uhr nachmittags biss in der Nacht 11 Uhr und dan von 7 Uhr in der Frü(h) bis Nachmitag 3. Jetzt könnt ihr euch vorstellen. Heute Nachmitag um 3 Uhr bekomme ich einen Schöpflöffel Krautsuppe u. einen Esslöffel voll Brei, ein Stückchen Brot. Mit dem muss ich aushalten biss in der Frü(h) um 8 Uhr. Dann gibt es Krautsuppe, ein Stückchen Brot und paar saure Gurken zerschnitten. Das ist an jedem Tag ist unser Essen so dass man dem Verhungern nahe ist.

Ich habe mich noch nicht verschpielt gegeben, ich dachte immer, ich muss Euch alle wiedersehen. Nur jetzt denke ich immer wieder, es gibt ein Nimmerwiedersehen.

Liebe Eltern, erziehet meine Kinder gut, nicht lasst ihnen allen Willen, weil sie keine Eltern haben. Sie sollen lernen und brav sein, dann werden sie auch nicht verstoßen. Erzählt ihnen viel von ihrer Mutter, dass sie mich nicht vergessen und wenn Mischko sollte wiederkehren u. ich nicht, er soll sorgen für die Kinder und sie nicht verstoßen. Lernt die Kinder beten und fest an Gott glauben, weil ich bete viel und vertraue viel auf Gott. Er wird auch wissen warum er uns so hart strafen tut. Vieleicht erbarmt er sich doch unser und helfet uns aus dem Jammer und Elend.

Liebe, allerliebste Kinder, die Weihnachten stehen vor der Tür und ihr seid noch immer ohne Eltern. Vieleicht ist doch der Vater schon bei euch. Seid brav, folget Großmutter und Großvater, dass sie gesund bleiben biss ihr euch selbst etwas verdienen könnt. Wenn Vater bei euch ist und verdienen tut, soll er euch zu Essen geben was er nur kann, weil ich leide Hunger für euch alle.

Liebes Lissie und Josef, jetzt wird bald euer Geburtstag sein. Seid schön brav. Ihr werdet jetzt eurer Mutter schon vieles helfen können. Lieber Hans, was machst Du noch? Schreibt durch das Rote Kreuz, vieleicht bekomm ich doch mal Post von euch. Bei uns ist jetzt nicht kalt, was die Hauptsache ist. Wenn es noch so kalt ist, dann nehmen die Tage gar kein Ende.

Liebe Schwiegermutter, wie geht es Euch noch? Wo sind Hani und Kati? Was machen die Kinder noch? Sind sie noch alle gesund. Lasst sie schön grüßen von mir.

Liebe Schwiegermutter, wenn etwas zum Nähen ist, macht es für die Kinder, nicht tut sie verstoßen, denket dass sie Euch auch gehören. Sie sind jetzt arm und ohne Eltern. Mein Ganzes hängt an den Kindern und ich denke, ich werde sie nie wieder sehen und wenn ich weiß, dass sie nicht von zuhaus verlassen sind, dann bin ich ganz beruhigt.

Liebe Eltern, heute ist der 7. Dezember.

Man hört, dass die Kranken wieder fahren, so will ich meinen Brief beenden. Heute ist stark kalt bei uns. Ich arbeite noch im Warmen, nur es wird nicht mehr lange dauern.

So bin ich noch gesund, nur habe ich immer Kreuzweh, so dass ich mich kaum rühren kann und muss alle Tage auf die Arbeit. Sterben tun bei uns auch viele Männer. Das schwache Essen und nur saures, das bringt alle unter die Erde.

So nun wünsche ich euch nochmals Fröhliche Weihnachten und viel Glück im Neuen Jahr und gebet gut acht auf die Kinder.

Lieber Mann, wenn du zuhaus bist, achte auf die Kinder, gib ihnen alles, was du nur kannst.

Nun ende ich mein Schreiben mit vielen herzlichen Grüßen und tausend Küssen von eurer lieben Mutter, Kind, Schwester und Tante Susi Hertl

Aus meinen Augen fließt das Wasser,
Aus meinem Herzen das Blut,
Euch kann ich nie vergessen,
Ihr wart mir all zu gut.



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Gedenkfeier an die Rußlanddeportation
des Landesverbandes Bayern und des Kreisverbandes München der Landsmannschaft der Banater Schwaben
am 12. Januar in München
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